Die Betrachtung der Landschaft
Fotografische Szenarien von Harald Bickel · seit 2022, fortlaufend
Die Serie Die Betrachtung der Landschaft zeigt Kulturlandschaften Europas – Küsten, Wälder, Gebirge –, die längst vom Menschen geformt und geordnet wurden. Auf den ersten Blick entfalten sie die Anmutung einer romantischen, beinahe heilen Welt. Doch in den Bildern wird zugleich das Scheitern spürbar, das durch menschliche Eingriffe und die Folgen des Klimawandels unausweichlich geworden ist: Wälder, die als Monokulturen angelegt und nun großflächig abgestorben sind, Küsten, deren Deiche den steigenden Meeresspiegeln nicht standhalten können, oder Naturflächen, die als Wiesen neu angelegt werden und dennoch den massiven Flächenverbrauch der Landwirtschaft nicht ausgleichen.
Die Szenen variieren in ihrer Deutlichkeit. Eine Baumallee zeigt unmittelbar die ordnende Hand des Menschen. Abgestorbene Waldbereiche im Harz markieren das Scheitern einer forstwirtschaftlich geprägten Kulturlandschaft – und zugleich den Versuch, der Natur den Raum zurückzugeben, sich neu zu ordnen. Andere Landschaften, wie Wälder in Norwegen oder das weite Watt der Nordsee, erscheinen auf den ersten Blick intakt, doch im Wissen um den Klimawandel wird auch hier deutlich, dass ihr Fortbestand fraglich ist.
Eine Figur, stets von hinten oder schräg von hinten ins Bild gesetzt, lenkt den Blick in diese Landschaften. Sie führt die Betrachtenden scheinbar in eine romantische Idylle, die sich bei näherem Hinsehen als trügerisch erweist: Was wie eine heile Welt wirkt, trägt das Scheitern des Menschen bereits in sich.
Die Bildsprache verweist auf Traditionen der Romantik, in der Landschaft zum Projektionsraum von Sehnsucht und Sinnsuche wurde. Doch die Werke bleiben keine Wiederholung dieser Tradition, sondern eröffnen Szenarien, in denen Schönheit und Fragilität, Ordnung und Zerfall, Hoffnung und Bedrohung unauflöslich ineinander verwoben sind.
Die Betrachtung der Landschaft ist ein fortlaufendes Projekt ohne zeitliche Begrenzung. Es wird weitererzählt, verändert sich und begleitet den Künstler auf der Suche nach Landschaften, die das Spannungsfeld von menschlicher Gestaltung, Scheitern und ungewisser Zukunft sichtbar machen.